NAPOLA
Johannes Schneider, geb. 1932 in Schlesien, Katholik und ehemaliger Religionslehrer an der Berufsschule in Kulmbach, war als Referent zum 11. Männerabend im GramppHaus Himmelkron zu Gast. Ein durchaus schweres Thema stand auf dem Programm. NAPOLA - Wie es möglich war, eine ganze Generation junger Männer in Deutschland für etwas zu begeistern, was in den Untergang führen musste.
NAPOLA steht für Nationalpolitische Lehranstalt, dies waren Internatsoberschulen, die nach der nationalsozialistischen Machtübernahme ab 1933 als „Gemeinschaftserziehungsstätten geründet wurden. Der Besuch der Schulen führte zur Hochschulreife. Ähnlich wie bei den Adolf-Hitler-Schulen handelte es sich um Eliteschulen zur Heranbildung des nationalsozialistischen Führungsnachwuchses. Hauptaufgabe der NAPOLA war die „Erziehung zu Nationalsozialisten, tüchtig an Leib und Seele für den Dienst an Volk und Staat“. Die Schüler sollten die kommende Führungsschicht Deutschlands bilden. Eine besondere Rolle spielten dabei die Leibesertüchtigung und die vormilitärische Ausbildung.
Aufgrund einer Krankheit konnte Gerhard Welz zum 11. Männerabend nicht anwesend sein. Dieter Hornfeck übernahm deshalb stellvertretend die kurze Vorstellung des Referenten und wünschte Gerhard Welz von hieraus gute Besserung, bevor in das Thema eingestiegen wurde.
Johannes Schneider, der selbst eine NAPOLA besuchte und während seiner Kinder- und Jugendzeit fest im nationalsozialistischen Gedankengut verwurzelt war, konnte nun mit seinem Vortrag beginnen. Aufgrund der aktuellen Flüchtlingskriese hatte sich Herr Schneider dafür entschieden seinen Vortrag etwas zu ändern und als Einleitung von seiner Flucht aus Schlesien zu Berichten. Wenn er heute die Bilder der Flüchtlinge in den Medien sieht, kann er sich nur zu gut in deren Lage versetzten. Im Winter 1944/45, einem der kältesten Winter des vergangenen Jahrhunderts, ist er zusammen mit seiner Mutter und Schwerster von Schlesien nach Wien geflüchtet. Sechs Tage dauerte die Flucht mit dem Zug, in ständiger Angst vor Fliegerangriffen, in bitterer Kälte, ohne ausreichend Nahrung und unter katastrophalen hygienischen Bedingungen. Auch die Zeit nach der Flucht in Österreich waren alles andere als komfortabel, die Familie lebte in einem zugigen Zimmer auf wenigen Quadratmetern, ohne fließend Wasser und ohne jegliche Privatsphäre. Schneider berichtete wie er von amerikanischen Tieffliegern beschossen wurde und er mit Todesangst um sein Leben lief. Kurz vor dem Kriegsende verlor er dann noch seinen geliebten Vater, der als Offizier durch ein Sprengstoffattentat von Partisanen getötet wurde. Als er dann aus dem Volksempfänger die Nachricht über den „Heldentod“ des geliebten Führers hörte, brach erst mal eine Welt für ihn zusammen, so Schneider. „Rotz zu Wasser“ habe er damals geheult, erinnerte sich der Zeitzeuge. Nach einem weiteren entbehrungsreichen Jahr in Österreich wurden alle „Reichsdeutschen“ des Landes verwiesen. Dazu gehörte auch seine Familie. Erneut begaben sie sich auf die Reise, bei Verwanden in Westfalen wurden sie aufgenommen, doch auch dort waren sie Flüchtlinge, zwar dieselbe Sprache sprechend aber trotzdem nicht akzeptiert. Schneiders Erzählungen machten betroffen und nachdenklich.
Nach einer kurzen Pause startete Herr Schneider mit dem eigentlichen Teil seines Vortrags und Erzählte über die verschiedenen Jugendorganisationen im Dritten Reich, die Beziehungen von Kirche zu Nationalsozialismus und den Rassenwahn der Nazis, ohne dabei etwas zu verherrlichen oder gut zu heißen. Ganz im Gegenteil, die traumatischen Begebenheiten seiner Flucht und die schrecklichen Erlebnisse in Österreich haben Johannes Schneider nachhaltig geprägt. In Westfalen fand er Zugang zu einer katholischen Jugendorganisation und entdeckte somit das Leben mit Gott. Heute bezeichnet er sich selbst als „Linker Katholik“. Ein Mann mit messerscharfem Verstand der seine nationalsozialistische Vergangenheit vollständig aufgearbeitet hat und trotz seines hohen Alters immer noch streitbar ist. Er unterstütz die Friedensbewegung, und bezieht vehement Stellung gegen die Rüstungsindustrie. Er ist sich auch heute noch nicht zu schade, mal einen Brief an Herrn Steinmeier oder andere politische Führungskräfte zu schreiben, wenn ihn ein Thema auf den Nägeln brennt. In einer abschließenden Diskussionsrunde stand Herr Schneider noch für alle offenen Fragen rund um das Thema zur Verfügung und animierte alle Anwesenden, zu bestimmten Themen klar Stellung zu beziehen und sich dann auch dafür einzusetzen.